Auch die »Lüftlmalerei« ergänzt ideal in das Bild, das sich der Ort von sich selbst geschaffen hat, um seine Besonderheit zu inszenieren. Oberammergau ist keineswegs der einzige Ort, an dem die Fassaden traditionell mit Außenfresken verziert sind, sondern dies ist eine im süddeutschen Raum durchaus verbreitete Form des Fassadenschmucks (vgl. Rattelmüller: Lüftlmalerei in Oberbayern). Allerdings hat Oberammergau immerhin einige spektakuläre Beispiele zu bieten. Das berühmteste und prächtigste ist das Pilatus-Haus, das 1774/75 erbaut wurde (siehe Abb. 3). Es trägt diesen Namen nach dem Fresko »Christus vor Pilatus«, das eine ganze Hausseite einnimmt (siehe Abb. 4) und von dem bekannten örtlichen Künstler Franz Seraph Zwinck stammt (vgl. auch Koch et. al: Franz Seraph Zwinck). Das Fresko fügt sich in seiner Aussage nahtlos in die Passionsinszenierung des Ortes ein, denn es stellt eine Szene dar, die innerhalb der Passions geschichte zentral ist. Selbst der Aufbau des Freskos gleicht einer (barocken) Theaterkulisse. Dabei ist auch hier der »Orientalismus« auffällig, etwa indem die Juden (historisch unrichtig, aber der damaligen Orient-Begeisterung entsprechend) mit Turban dargestellt werden – ein »exotisches« Motiv, auf das man selbst in aktuellen Fremdenverkehrskatalogen noch gerne rekurriert (siehe Abb. 5). Und das so (entfremdet) dargestellte »andere« kommt denkbar schlecht weg, handelt es sich doch bei der Szene um eine Art biblische Variante der Verschwörungstheorie von der jüdisch-kapitalistischen Weltverschwörung, bei der Judas mit dem jüdischen Establishment und der Weltmacht Rom (in Person des Statthalters Pilatus) gemeinsame Sache macht, um Christus zu verraten. Nicht alle Fresko-Darstellungen sind freilich so hochgradig ideologisch aufgeladen, sondern zeigen beispielsweise auch »harmlose« Musikantenszenen (siehe Abb. 6) oder greifen das Passionsspiel-Thema als »Zitat« direkt auf (siehe Abb. 7).